ALVIN 0.0 |
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[ 0.0_19 ] |
Alvins neues Leben |
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werner 27.11.01 |
Alvin lässt sich treiben von der Sintflut. Auf dem Rücken liegend schaut er zum Himmel. Die Sonne scheint ihm auf den Bauch und wärmt angenehm. Er fühlt sich frei. Wenn er Hunger hat, greift er nach einer vorbeitreibenden Frucht oder einem Nussgipfel. Es beruhigt ihn, dass sich die Wirrnisse der letzten Tage als Fiktion von ein paar Leuten herausgestellt haben, die er nicht kennt. - Wenn die ihn jetzt sehen könnten! Da klatscht ihm etwas auf den Bauch. Ein zähflüssiger, weisser Fleck wälzt sich seiner Seite entlang und hinterlässt eine braune Spur. Alvin hört, wie über ihm eine Taube gurrt. Im Schnabel trägt sie eine Gummibootpumpe und Alvin spürt, wie sein Körper schwerer wird. Wie wenn das Wasser in der Badewanne langsam abfliesst. Alvin steht auf und steigt aus dem Gummiboot. Im Schatten eines Busches sitzend spielt er mit den Füssen im warmen Sand. Er übt sich darin, mit Hilfe der grossen Zehe und der Zeigezehe einen Kieselstein möglichst weit weg zu schmeissen. Gar nicht so einfach. Wahrscheinlich etwa zwei Meter bis jetzt. Vielleicht sogar drei. Mit links etwas weiter als mit rechts. Ob das mit der Ringzehe auch geht? Die Luft regt sich kaum. Es muss Mittag sein. "Wo bin ich eigentlich?", frägt er sich und schaut um sich. "Sieht aus wie tausend Grad Flimmern und sandglühendes Schweigen." - "Was für ein Schweigen? Woher habe ich das wohl wieder?" Am Horizont gegen Westen hin ist der Himmel leicht gräulich eingefärbt. Alvin erinnert sich an den Blick vom Üetliberg hinunter, wenn Zürich sich im Hochsommer eine urbane Smogglocke leistet. 'Downtown Switzerland', das verpflichtet. Ja, das im Westen könnte eine Stadt sein. Von weit weg her hört Alvin ein Brummen. Wie wenn jemand bei dem Versuch in Wut auszubrechen ganz gemächlich von vorne beginnt. Alvin geht auf die Strasse und schaut in die Richtung des lauter werdenden Brummens. Im Flimmern sieht er, wie hinter der weitläufigen Rundung des Highways langsam ein Truck aufsteigt. Erst sieht er nur das Dach der Kabine und natürlich den überragenden Dieselauspuff. Alvin stellt sich an die Böschung und hebt den Daumen raus. Noah versteht nicht auf Anhieb: "Whaz ya name? All-win? Wher's da' name from? Paradise or what?" Und Noah lacht dazu so laut, dass Alvin etwas unheimlich zu Mute wird. "All-win! Thaz good boy! Thaz wondaful! I like ya name!" Noah, Alvin und zwei Ladungen voll Hühner fahren der Stadt in der Wüste entegegen. Alvin schaut sich um in der Führerkabine. Ein Bild erinnert ihn an Julika. Der Mund ist zwar eher der von Rita. Aber sonst... Zwischen ihm und Noah liegen eine grosse Thermosflasche und einige Sandwiches. "Ya hungry, winna?" Noah wendet den Blick nicht von der Strasse. In der Mitte fehlt ihm ein Zahn. Die andern sind so gelb, dass Alvin nicht sicher ist, ob es sich nur um mangelhaft gepflegte Goldkronen handelt. "Take one. Plenty of 'em. - And a whole truck of god damn chicks in the back." Wieder lacht Noah lange, laut und alleine. Alvin ist sich nicht so sicher, was Noah gemeint hat. Sein Englisch ist eben nicht so "great". Noah lässt die eine Hand vom Steuer und greift nach einem der Brote, patscht es Alvin auf die Beine: "Eat, winna! Eat one of Noah's Chicken Unlimited Special Edition!" Die Special Edition schmeckt fein und Alvin sieht die Stadt am Horizont allmählich grösser werden. Beim Kauen sammelt er Worte aus dem Gedächtnis und probiert aus, wie sie zusammenpassen könnten. Dann beist er nochmal in die Unlimited Edition und kaut lange. "Noah, tell me please what the name is from that city." Jetzt nimmt Noah kurz den Blick von der Strasse, schaut Alvin mit wilden, grauen Augen an. Mit Augen, in deren tiefstem Grund ein See von Gutmütigkeit ruht. "Ya mean da name of this fuckin' place? Boy, that's LAS VEGAS, that bitch of a city. Perfect town for winners like you!" Zum dritten mal lacht Noah, dass den Hühnern hinten im Truck Angst und Bange wird. - Las Vegas... |
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